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Vortragsreihe 2023/24

Wer (k)ein Warum zum Leben hat…
von Sinn und Sinnlosigkeit

Braucht der Mensch ein Warum, ein Wissen darum, wofür er lebt? Bedarf es eines Sinns im Leben? Was ist ein sinnerfülltes Leben?

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine existentielle. Nietzsche stellt sie auf seine Weise:

»Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie!«

Das Wissen um Sinn bindet Angst – die Angst des Menschen angesichts seiner Bewusstheit um seine Endlichkeit, existentielle Freiheit und Einsamkeit. In einer dergestalt orientierungslosen Welt schafft Sinn Werte und Ziele – und damit Orientierung, Verbundensein und Geborgenheit in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Quelle solchen Sinns kann Glaube sein – an eine Religion, Transzendenz oder Kosmisches.

In einer postmodernen, naturwissenschaftlich geprägten wie hochdifferenzierten, pluralen Welt stehen diese Quelle jedoch zunehmend weniger zur Verfügung. Der Mensch ist einem Spannungsfeld ausgeliefert zwischen naturwissenschaftlichem Sinndefizit und einer überfordernden Vielzahl von möglichen Sinn-Entwürfen und Sinnlosigkeiten. In einer solch ‚absurden Welt‘ (Camus) ist er verdammt, den Sinn aus sich selbst zu schöpfen. Quellen werden gefunden im Individuellen wie Sozialen – Familie und Generativität, im Engagement in Beruf oder Projekten, in Kreativität, Kunst, Ästhetik u. a. – auch Sinnlichkeit macht Sinn, Sinn verschafft intensives Erleben der Sinne – wie Naturerleben – Sinnerleben.

Das Scheitern – das Erleben von Sinnlosigkeit – ist vor allem auch eine mögliche Ursache psychischer Erkrankung. Wenn Sinnerleben darauf beruht, »dass die eigene Existenz eine Richtung oder einen Zweck hat, dass sie stimmig und bedeutsam ist« (Hobbs), kann das Fehlen krank machen. Was jedoch sind die Voraussetzungen eines sinnerfüllten Lebens?

»Wie findet ein Wesen, das Sinn braucht, Sinn in einem Universum, das keinen Sinn hat?« (Yalom)

Die Vortragsreihe versucht der komplexen wie vielseitigen Konfliktthematik – der grundsätzlichen Sinnlosigkeit des Lebens einerseits und des Bedürfnisses des Menschen nach Sinnfindung andererseits – aus psychoanalytischer und interdisziplinärer Sicht nachzugehen.

Die Referenten:

Dr. rer. nat. Nicole Strüber

Studium der Biologie (Dipl.) mit Schwerpunkt Neurobiologie und Nebenfach Psychologie in Bremen. Promotion bei Prof. Gerhard Roth mit einer interdisziplinären Dissertation über die Bedeutung früher Erfahrungen für die Hirnentwicklung und die Entstehung psychischer Erkrankungen. Seit 2019 Professorin im Studiengang Hebamme DUAL an der hochschule21 in Buxtehude. Freiberufliche Tätigkeit als Wissenschaftsautorin und Referentin. Autorin mehrerer Sachbücher: „Wie das Gehirn die Seele macht“ (mit G. Roth, 2014); „Erste Bindung. Wie Eltern die Entwicklung des kindlichen Gehirns prägen“ (2016); „Risiko Kindheit. Die Entwicklung des Gehirns verstehen und Resilienz fördern“ (2019); „Coronakids. Was wir jetzt tun müssen, um unsere Kinder vor den seelischen Folgen der Pandemie zu schützen“ (2021)

Christian Warrlich

Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Lehranalytiker (DGPT, NFIP), Gruppenanalytiker und Gruppenlehranalytiker, Balintgruppenleiter (D3G). Tätig in eigener Praxis in Bremen. Weiteres unter www.psychoanalyse-bremen.de

Delaram Habibi-Kohlen

Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin (DPV, IPA, DGPT) und Lehranalytikerin am Kölner DPV-Institut, tätig in eigener Praxis in Bergisch Gladbach. Sie ist Mitglied in mehreren Gruppierungen, die sich mit der Klimakrise beschäftigen, u. a. dem IPA-Komitees zum Klimawandel. Zahlreiche Publikationen über gesellschaftliche und politische Themen, speziell über die Verleugnung des Klimawandels, sowie zu Mikroprozesse in Übertragung und Gegenübertragung; u. a. „Die gefühlte Bedeutungslosigkeit des Klimawandels“ (2019); „Klimakrise und die Angst vor der Natur – die wir nicht sind“ (2021); „Wie wir uns dagegen wehren, die Klimakrise wahrzunehmen – und wie der Zeitgeist uns dabei hilft“ (2021); „Das Leben in der Dauerkrise und die Erschütterung der Ordnung“ (2023).

Prof. Dr. med. Ralf Zwiebel

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychoanalytiker und Lehranalytiker am Alexander-Mitscherlich-Institut Kassel (DGPT, DPV, IPA), langjährig Professor für Psychoanalytische Psychologie an der Universität Kassel, pensioniert 2007. Heute ist er tätig in eigener psychoanalytischer Praxis. Es ist Autor zahlreicher Bücher, u. a.: „Der Schlaf des Analytikers“ (1997); „Was macht einen guten Psychoanalytiker aus“ (2013); „Buddha und Freud“ (et al., 2015); „Vom Irrtum lernen“ (2017); „Die Suche nach dem stillen Ort“ (et al., 2017); „Daseinsanalyse, Psychoanalyse und Buddhismus im Gespräch – Reflexionen über Anfang und Ende“ (mit G. Weischede, 2023).

Prof. Dr. phil. Timo Storck

Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker (DPV, IPA, DGPT). Seit 2015 Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Psychologischen Hochschule Berlin. Von 10/23 bis 03/24 Fellow am Käte Hamburger Centre for Apocalyptic and Postapocalyptic Studies, Universität Heidelberg. Mitherausgeber der Zeitschrift „Forum der Psychoanalyse“ und „Psychoanalyse – Texte zur Sozialforschung“, Mitherausgeber der Buchreihen „Interdisziplinäres Psychoanalytisches Forum“ und „Im Dialog: Psychoanalyse und Filmtheorie“. Mitglied im Herausgeberbeirat der Buchreihe „Internationale Psychoanalyse“ sowie im wissenschaftlichen Beirat der „Psyche“. Zahlreiche Buchpublikationen, u. a: „Körpergefühl“(mit F. Brauner, 2021).

Dr. med. Herbert Will

Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker, Supervisor, Lehranalytiker a. D., Gruppenanalytiker (DGPT, DPG, DPV). Praxistätigkeit, vielfältige Engagements in Ausbildung und Lehre, Schreibwerkstatt der DPG, Symposien zu Psychoanalyse und Religion, einer der Herausgeber der PSYCHE. Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Vortragstätigkeit zur Konzeptentwicklung in der Klassischen Psychoanalyse, Psychosomatik, Depression, Religion und Spiritualität, Themen der Behandlungstheorie und Technik, Schwerpunkt heute ist die psychoanalytische Feldtheorie mit ihren vielfältigen Implikationen. Weiteres unter www.herbert-will.de