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Vortragsreihe 2019/20

Das Dilemma der Freiheit – Teil 2

Menschliche Existenz und das Streben nach Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Doch Freiheit ist ein »zwiespältiges Geschenk« 

(E. Fromm)

Mit der Fähigkeit schicksalshafte Ereignisse wie Naturgewalten und Krankheiten, äußere wie innere Mächte zu verstehen und zu beherrschen, hat der Mensch ungeahnte Freiheitsgrade errungen.

Die Freiheit des Glaubens, Meinungsfreiheit, politische Freiheit, sexuelle Freiheit, Freiheit der Lebensformen und viele andere Formen der Freiheit erscheinen heute in unserem Kulturraum legitimiert.

Doch in der heutigen Welt grenzenlos anmutender Freiheit wird das Doppelgesicht der Freiheit offensichtlich. Die Sehnsucht nach Freiheit bleibt eng verbunden mit der Furcht vor Freiheit. Äußere Freiheit konfrontiert mit innerer Unfreiheit. Freiheit kann zur Bedrohung und Belastung werden.

Freiheit steht in Widerstreit mit Bedürfnissen nach Gemeinsamkeit und Aufgehobensein in einer Gruppe und kann Einsamkeit bedeuten. Die Sehnsucht nach „Freiheit von“ konfrontiert zugleich mit der Frage nach der „Freiheit für“. Das berührt die Frage nach dem Sinn. Das Individuum muss sich entscheiden. Entscheidung wiederum konfrontiert mit Endlichkeit und Verantwortung – Freiheit bedeutet Verantwortung.

Freiheit kann Würde, Gefühle von Unabhängigkeit, Stärke und Kraft vermitteln und zugleich überfordern und so zum Fluch werden.

Dieses Dilemma zu bewältigen, bedarf es wichtiger seelischer wie sozialer Mechanismen. Im Gewande der Freiheit erscheinen so neue Formen der Unfreiheit, die Flucht ins Autoritäre, ins Destruktive oder Konformistische. Anstelle alter tauchen neue Autoritäten auf, »getarnt als gesunder Menschenverstand, als Wissenschaft, als psychische Gesundheit, als Normalität, als öffentliche Meinung…« (E. Fromm).

Wird die Freiheit, frei zu sein, so zum Zwang und zur Bürde? Oder eröffnet das Bewusstsein neue Wege?

Der Vortragszyklus will anregen, das Dilemma der Freiheit unter verschiedenen Aspekten zu diskutieren.

Die Referenten:

Prof. Dr. Susann Heenen-Wolff
Studium der Pädagogik und Psychologie in Jerusalem, Frankfurt und Paris, Promotion „Über den Niederschlag der Erfahrung von Antisemitismus und Assimilation im Denken von Freud“. Gruppenanalytische Ausbildung am Institut für Gruppenanalyse in Heidelberg, analytische Ausbildung an der Société psychanalytique de Paris (IPV), Lehranalytikerin und während langer Jahre Mitglied der Ausbildungskommission an der Belgischen Gesellschaft für Psychoanalyse (IPV). In Brüssel in freier Praxis tätig. Professorin für Klinische Psychologie an der Université de Louvain-La-Neuve (UCL) und an der Université Libre de Bruxelles (ULB) in Belgien. Letztes Buch auf Deutsch: Gegen die Normativität in der Psychoanalyse. Psychosozial Verlag 2018.

Prof. Dr.Karin Schumacher
Studium an den Musikhochschulen in Wien (Musikheilkunde/Musiktherapie) und in Salzburg (Musik- und Tanzerziehung). Promotion in Hamburg („Musiktherapie und Säuglingsforschung“). Langjährige Tätigkeit in psychiatrischer Klinik in Berlin als Musiktherapeutin mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Seit 1984 Professorin für Musiktherapie an der Universität der Künste Berlin, seit 2000 auch niedergelassen als approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in eigener Praxis in Berlin. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Kinder mit tiefgreifender Entwicklungsstörung, speziell Autismus.

Dr. phil.Gabriele Junkers
Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DPV, IPV), Lehranalytikerin, Supervisorin, Gerontologin in eigener Praxis. Schwerpunkt: u. a. Beratung und Coaching zu Fragen des Älterwerdens. Langjährige Tätigkeit in stationärer Psychiatrie, Aufbau und Leitung einer gerontopsychiatrischen Rehabilitationsabteilung. Veröffentlichungen zu Psychoanalyse und Psychotherapie im Alter (u. a. Klinische Psychologie und Psychosomatik des Alterns, 1995; Is it too late?, 2006, Die leere Couch, 2010). International tätig  für die Europäische Psychoanalytische Föderation (EPF), Aufbau des psychoanalytischen Ausbildungsinstitutes in Südafrika für die Internationale Psychoanalytische Vereinigung (IPA).

Prof. Dr. Benigna Gerisch
Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin (DPV/IPV); Professorin für Klinische Psychologie und Psychoanalyse an der International Psychoanalytic University in Berlin. Studienschwerpunkte: Klinische Psychologie, Interventionen und Psychodynamische Beratung. Publikationen und Forschungsprojekte unter anderem zur Suizidalität und Geschlechterdifferenz, Psychotherapieprozessforschung, zu psychoanalytischen Körperkonzepten und (autodestruktiven) Körperpraktiken; derzeitige Forschung im Rahmen des transdisziplinären Projekts zu »Das vermessene Leben – Produktive und kontraproduktive Folgen der Quantifizierung in der digital optimierten Gesellschaft« zus. mit Prof. Dr. V. King und Dr. H. Rosa.

Dr. phil.Sophinette Becker +
Sexualwissenschaftlerin und psychoanalytische Psychotherapeutin, arbeitete von 1979-1988 an der Psychosomatischen Klinik Heidelberg, seit 1989 am Institut für Sexualwissenschaft der Universitätsklinik Frankfurt, seit 1994 als Leitende Psychologin der Sexualmedizinischen Ambulanz bis 2011. Seitdem ist sie in eigener Praxis tätig. Inhaltliche Schwerpunkte und zahlreiche Publikationen zu den Themen: Geschlechtsidentitäten, Perversionen bei Männern und Frauen, kultureller Wandel der Sexualität. Lange Zeit war sie u. a. Mitherausgeberin der Zeitschrift für Sexualforschung und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung.
Sie verstarb am 24. Oktober 2019.

Prof. Dr.Vera King
Studium der Soziologie am Institut für Sozialisationsforschung und Sozialpsychologie der Goethe-Universität Frankfurt am Mai mit anschließender Promotion und Habilitation. 2002 – 2016 Professorin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg; seit 2016 Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt am Main. Forschungsschwerpunkte sind: Sozialpsychologische Analysen gesellschaftlichen Wandels, Migration und Flucht, Transgenerationalität und Generativität, Adoleszenzforschung. Zahlreiche Publikationen zu all diesen Bereichen.