„Die sieben Todsünden“
Menschliches, allzu Menschliches psychoanalytisch betrachtet – Teil 1
Menschliches, Allzumenschliches (Friedrich Nietzsche)
Die sieben Todsünden – Hochmut, Zorn, Faulheit, Neid, Wollust, Völlerei, Geiz – haben den Menschen über Jahrhunderte das Fürchten gelehrt. Menschliche Begierden wiesen den Weg zur Verdammnis.
In unserer säkularisierten und liberalisierten Welt hat der repressive Lasterkatalog der Todsünden seinen Schrecken verloren. Die Todsünden sind salonfähig geworden – Geiz ist geil, Wollust prangt an jedem Kiosk, Hochmut führt zu grenzen- und bedenkenlosem Fortschritt, Gier ist allgegenwärtig. Alles scheint möglich, alles erlaubt.
Betrachtet man die Todsünden jedoch als Ausdruck menschlicher Triebhaftigkeit und ihrer Schicksale, eröffnen sich veränderte Perspektiven. So will das kleine Kind hemmungslos genießen, besitzen, zerstören, sich zeigen. Erst in der Auseinandersetzung mit einer fördernden und Grenzen setzenden Umwelt wird es fähig, seine Bedürfnisse und Affekte zu regulieren und zu entwickeln – eine lebenslange Herausforderung.
Das Konzept der Todsünden konfrontiert mit der alles entscheidenden Frage nach dem rechten Maß – auf einem Kontinuum menschlicher Begierden, als deren Extrempositionen die Todsünden einerseits, die Kardinaltugenden andererseits lokalisiert werden können.
Als unabdingbare Voraussetzung für Leben und Entwicklung sind sie – die menschlichen Triebkräfte – weder gut noch böse. Doch können sie selbst- und gemeinschaftszerstörend in die eine oder andere Richtung, in ein Zuviel oder Zuwenig, entarten – in Konsumrausch, in hemmungslose Profitgier, in Hybris von Wissenschaft und Technik…
Vom Sündendruck befreit eröffnet sich dem aufgeklärten Menschen eine grenzenlos anmutende Freiheit. Doch diese macht auch Angst. Die Frage nach dem rechten Maß, die Wahl des Gebotenen in der Fülle des Möglichen, wird in die eigene Verantwortung verlagert. Individuum und Gesellschaft sind gefordert, herauszufinden, was geboten und verboten sein soll. So wird die Freiheit zur Chance wie zum Risiko, zur Lust wie zur Last. Ein scheinbar antiquiertes Thema erweist sich somit als hochaktuell. Die Psychoanalyse, in deren Mittelpunkt die innere Konflikthaftigkeit des Menschen und seine Beziehungen zu Anderen stehen, hat dazu Denkanstöße zu geben.
Referentenangaben:
Studium der Theologie, tätig als Psychoanalytiker in eigener Praxis in Berlin seit 1967, Lehranalytiker und Supervisor der DPV/IPV, DGPT, ehemaliger Vorsitzender der DPV, Mitbegründer der Nazareth-Gruppenkonferenzen über „The Past in the Present“, in denen deutsche und israelische Psychoanalytiker zusammentreffen. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Psychoanalyse gesellschaftlicher Konflikte, zur Persönlichkeitstheorie, Traumforschung, Behandlungstheorie.
Studium und Promotion in Germanistik (Dr. phil.) und in Psychologie (Dr. rer. pol.); Habilitation in Psychologie. Seit 2003 Professor für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität und Direktor des Sigmund-Freud-Instituts Frankfurt. Zuvor lange Jahre Professor an der Universität Augsburg. Spezialisierung auf Gruppenanalyse, Gruppenlehranalytiker gruppenanalytischer Supervisor und Organisationsberater (D3G/DAGG) (DGSv). Mitherausgeber der „Zeitschrift für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik“ und der „Freien Assoziation“.
Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalytikerin DPV, Gruppenanalytikerin und Gruppenlehranalytikerin, gruppenanalytische Supervisorin und Organisationsberaterin D3G/ DAGG. Tätig in eigener Praxis.
Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Lehranalytiker DGPT, Gruppenanalytiker und Gruppenlehranalytiker, Balintgruppenleiter D3G/DAGG. Tätig in eigener Praxis.
Studium der Philosophie, Germanistik und Psychologie. Ausbildung zum Psychoanalytiker am Psychoanalytischen Seminar Zürich. Promotion und Habilitation in Psychologie. Lehraufträge an verschiedenen Universitäten, Dozent für psychoanalytische Psychotherapie an der Universität Zürich und Privatdozent für Psychoanalyse an der Universität Bremen. Tätig als Psychoanalytiker in eigener Praxis in Zürich. Tätig auch als Publizist, Satiriker und Kolumnist. Privatdozent für Psychoanalyse an der Universität Bremen und Dozent an der Uni Zürich. Zahlreiche Buchpublikationen.
Studium der Germanistik und Philosophie in Heidelberg und Berlin, Verfasser zahlreicher Studien zu Goethe und zur Goethe-Rezeption, sowie zur Ideengeschichte der Moderne, darunter Fausts Kolonie. Goethes kritische Phänomenologie der Moderne, Würzburg 2004, und Global Player Faust oder das Verschwinden der Gegenwart. Zur Aktualität Goethes, Berlin 2008. Heute Autor, Publizist und Literaturwissenschaftler in Berlin, sowie Privatdozent für Deutsche Philologie an der Freien Universität Berlin.
Prof. für Psychiatrie und Psychotherapie (emerit.) der University of West Virginia, USA, Psychoanalytiker (IPV). Geboren 1931, Studium der Medizin und Facharztweiterbildungszeit in der Schweiz. 1962 Übersiedlung in die USA und Professur an verschiedenen psychiatrischen Universitätskliniken. Heute tätig in eigener Praxis als Psychoanalytiker, Lehranalytiker und Supervisor (Towson, USA). Internationales Renommee u. a. durch seine Arbeiten zum Affekt der Scham, zur Delinquenz und zu schweren Persönlichkeitsstörungen. 2004 Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität Berlin.