„Haben Kinder Zukunft?“
Kindheit und Jugend in einer veränderten Gesellschaft
„Die moderne Gesellschaft pflügt sich um wie keine zuvor. (…) Nichts versteht sich mehr von selbst. Beständig ist allein das Unbeständige geworden: der Zustand einer allgemeinen Unruhe, Erregung, Gärung…“ (C. Türcke)
Der janusköpfige Weg des Fortschritts des Menschen konfrontiert mit der Eigenverantwortlichkeit des mündigen Menschen, deren Bürde sich offenbart.
Die „erregte“, die „flexibilisierte“, die „beschleunigte“, die „erschöpfte“… Gesellschaft!
Diese Zustandsbeschreibungen einer Gesellschaft in rasantem und radikalem Wandel betreffen unser Lebensgefühl und unsere Beziehungen. Sie prägen Familie, Elternschaft, kindliche Entwicklung und Erziehung. Die Konsequenzen sind allgegenwärtig.
Die Welt der Kinder und Heranwachsenden verändert sich radikal. Kindliche Bedürfnisse und Rechte werden betont, gleichzeitig werden Kleinkinder, Kinder und Heranwachsende vor gesellschaftliche Herausforderungen gestellt, die wie im Widerspruch zu ihren Bedürfnissen stehen. Optimierungsdruck erfasst fast alle Lebensbereiche, Familie, Freizeit, Krippe, Kindergarten, Schule.
Dass die äußeren Veränderungen notwendigerweise Rück- und Auswirkungen auf die psychosozialen Entwicklungsbedingungen, wie auch auf die inneren seelischen Strukturen und Erlebensweisen von Kindern und Heranwachsenden haben, ist evident.
Die Einen betonen dabei die negativen Folgen, wie z. B. den Verlust von Kindheit, von Beziehung, von Erlebnisfähigkeit und Intimität, andere hingegen den Fortschritt als evolutionären Prozess, der ungeahnte neue Perspektiven und Visionen – neue Freiheiten – eröffnet.
Die Psychoanalyse, die sich mit der konflikthaften Wechselwirkung von äußerer und innerer Welt, äußeren wie inneren Konflikten und den psychostrukturellen Auswirkungen dieser Veränderungen für den Einzelnen wie auch für die gesellschaftlichen Gruppen und die Gesellschaft beschäftigt, kann einen Beitrag leisten, diese Veränderungen und deren Auswirkungen auf die innere Welt von Kindern und Heranwachsenden und ihre Zukunft zu reflektieren.
Die Referenten:
Prof. Dr. phil. Christoph Türcke:
Studium der Theologie, Studium der Philosophie in Frankfurt a. M. und Promotion, Habilitation im Fachbereich Philosophie, Gesamthochschule Kassel, Gastprofessur in Brasilien. Seit 1993 Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Lehrbefugnis für Philosophie an der Universität Leipzig. Erster Träger des Sigmund-Freud-Kulturpreises 2009. Zahlreiche Veröffentlichungen u. a. „Erregte Gesellschaft“ (2012); „Hyperaktiv – Kritik der Aufmerksamkeitsdefizitkultur“ (2012) und „Vom Kainszeichen zum genetischen Code“ (2013)
Iris Nikulka:
Psychoanalytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin, niedergelassen in eigener Praxis in Frankfurt a. M., Dozentin, Supervisorin und Mitarbeiterin der Baby-Ambulanz am Anna Freud Institut in Frankfurt a. M., Vorträge und Veröffentlichungen zum Thema Magersucht, Hysterie und zur weiblichen (Psycho-)Sexualität.
Marita Barthel-Rösing:
Psychoanalytische Ausbildung in Frankfurt a. M. KJ-Psychoanalytikerin DPV, Gruppenanalytikerin und Gruppenlehranalytikerin, Gruppenanalytische Supervisorin und Organisationsberaterin (D3G, DGSv). Tätig in eigener Praxis in Bremen und als Supervisorin in Organisationen.
Christian Warrlich:
Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Lehranalytiker DGPT, Gruppenanalytiker und Gruppenlehranalytiker, Balintgruppenleiter (D3G). Tätig in eigener Praxis in Bremen.
Ann Kathrin Scheerer:
Dipl.-Psych., Psychoanalytikerin (IPV/DPV), tätig in eigener Praxis in Hamburg. Leiterin des Arbeitskreis „Außerfamiliäre Betreuung in der frühen Kindheit“ in der DPV, zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zu diesem Thema.
Prof. Dr. phil. King, Vera:
Soziologin und Professorin für Sozialisations- und Entwicklungsforschung an der Universität Hamburg in der Fakultät für Erziehungswissenschaft. Publikationen und Projekte i. B. zu Jugend-, Familien- und Generationenforschung, sozialen Ungleichheiten und Migration, Zusammenhängen zwischen kulturellem und psychischem Wandel, z. B. im Forschungsprojekt: ‚Aporien der Perfektionierung in der beschleunigten Moderne. Gegenwärtiger kultureller Wandel von Selbstentwürfen, Beziehungsgestaltungen und Körperpraktiken’ (APAS), geleitet von V. King/ B. Gerisch/H. Rosa, gefördert von der VW-Stiftung.
Prof. Dr. med. Michael Günter:
Studium der Medizin, Kunstgeschichte und Empirischen Kulturwissenschaft in Tübingen und Wien. Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und für Psychosomatische Medizin, Psychoanalytiker für Erwachsene, Kinder- und Jugendliche, Lehranalytiker (DPV/IPA), Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des Klinikum Stuttgart, Herausgeber der Zeitschrift Kinderanalyse. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Artikel. Arbeitsschwerpunkte: Adoleszenz, Psychoanalytische Sozialarbeit, Forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter.