Das Dilemma der Freiheit
Menschliche Existenz und das Streben nach Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden. Doch Freiheit ist ein »zwiespältiges Geschenk«
(E. Fromm)
Mit der Fähigkeit schicksalshafte Ereignisse wie Naturgewalten und Krankheiten, äußere wie innere Mächte zu verstehen und zu beherrschen, hat der Mensch ungeahnte Freiheitsgrade errungen.
Die Freiheit des Glaubens, Meinungsfreiheit, politische Freiheit, sexuelle Freiheit, Freiheit der Lebensformen und viele andere Formen der Freiheit erscheinen heute in unserem Kulturraum legitimiert.
Doch in der heutigen Welt grenzenlos anmutender Freiheit wird das Doppelgesicht der Freiheit offensichtlich. Die Sehnsucht nach Freiheit bleibt eng verbunden mit der Furcht vor Freiheit. Äußere Freiheit konfrontiert mit innerer Unfreiheit. Freiheit kann zur Bedrohung und Belastung werden.
Freiheit steht in Widerstreit mit Bedürfnissen nach Gemeinsamkeit und Aufgehobensein in einer Gruppe und kann Einsamkeit bedeuten. Die Sehnsucht nach „Freiheit von“ konfrontiert zugleich mit der Frage nach der „Freiheit für“. Das berührt die Frage nach dem Sinn. Das Individuum muss sich entscheiden. Entscheidung wiederum konfrontiert mit Endlichkeit und Verantwortung – Freiheit bedeutet Verantwortung.
Freiheit kann Würde, Gefühle von Unabhängigkeit, Stärke und Kraft vermitteln und zugleich überfordern und so zum Fluch werden.
Dieses Dilemma zu bewältigen, bedarf es wichtiger seelischer wie sozialer Mechanismen. Im Gewande der Freiheit erscheinen so neue Formen der Unfreiheit, die Flucht ins Autoritäre, ins Destruktive oder Konformistische. Anstelle alter tauchen neue Autoritäten auf, »getarnt als gesunder Menschenverstand, als Wissenschaft, als psychische Gesundheit, als Normalität, als öffentliche Meinung…« (E. Fromm).
Wird die Freiheit, frei zu sein, so zum Zwang und zur Bürde? Oder eröffnet das Bewusstsein neue Wege?
Der Vortragszyklus will anregen, das Dilemma der Freiheit unter verschiedenen Aspekten zu diskutieren.
Die Referenten:
Prof. Dr. Gunter Kreutz:
Studium in Marburg, Berlin und San Francisco; Promotion an der Universität Bremen, Habilitation an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2008 hat er eine Professur für Systematische Musikwissenschaften an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg inne. Sein Forschungsinteresse gilt v. a. den psychologischen, körperlichen und sozialen Bedeutungen von Musizieren, Singen und Tanzen unter Laien. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Fachpublikationen sowie eines Sachbuchs – „Warum Singen glücklich macht“ (2014). Er ist Mitglied in verschiedenen Verbänden, u. a. Deutsche Gesellschaft für Musikpsychologie (DGM), European Society for Music Perception and Cognition (ESCOM), er ist Gründungsherausgeber der Online-Zeitschrift Music Performance Research.
Prof. Dr. Martin Teising
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und Psychoanalytiker (DPV/IPV) nach Studium der Medizin und Soziologie in Frankfurt am Main und psychoanalytischer Weiterbildung am Alexander Mitscherlich in Kassel. Promotion zum Dr. phil. an der Universität Kassel. Vertretungsprofessur an der Fachhochschule Köln, Leitender Oberarzt in der Abteilung für Psychoanalyse an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen, von 1994 bis 2012 Professur an der Fachhochschule Frankfurt. Präsident der International Psychoanalytic University Berlin, Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung 2010–2012. Zahlreiche Publikationen, u. a. „Selbstbestimmung zwischen Wunsch und Illusion“ (2016)
Prof. Dr. Vera King
Studium der Soziologie am Institut für Sozialisationsforschung und Sozialpsychologie der Goethe-Universität Frankfurt a. M. mit anschließender Promotion und Habilitation. 2002 – 2016 Professorin an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg; seit 2016 Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt a. M.. Forschungsschwerpunkte sind: Sozialpsychologische Analysen gesellschaftlichen Wandels, Migration und Flucht, Transgenerationalität und Generativität, Adoleszenzforschung. Zahlreiche Publikationen zu allen Bereichen.
Dr. phil. habil. Jochen Bonz
Studium der Kulturwissenschaft und Germanistik an der Universität Bremen mit anschließender Promotion und Habilitation. 2010 Vertretungsprofessur für Mediensoziologie an der Universität Gießen, anschließend Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Europäische-Ethnologie-Instituten in Wien und Innsbruck. Heute lehrt er an der Universität Hildesheim und an der Sigmund-Freud-Universität Wien ethnografische Feldforschung, Kulturtheorie sowie Pop- und Fankulturforschung. Er forscht zur Wissenschaftsgeschichte der Ethnopsychoanalyse, leitet ethnografische Supervisionsgruppen und ist in der Ausbildung zum Gruppenanalytiker (SGAZ)
Ann Kathrin Scheerer
Niedergelassene Psychoanalytikerin (DGPT, DPV, IPV) in Hamburg. Zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zum Thema „Außerfamiliäre Betreuung in der frühen Kindheit“: Leiterin des Arbeitskreises „Neue Familien und ihre Kinder“ in der DPV. Sprecherin der Gruppe Vertrauensleute in der DGPT – Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie.
Prof. Dr. Ralf Zwiebel
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychoanalytiker und Lehranalytiker am Alexander- Mitscherlich-Institut Kassel (DGPT, DPV, IPV), langjährig Professor für Psychoanalytische Psychologie an der Universität Kassel, pensioniert 2007. Heute ist er tätig in eigener psychoanalytischer Praxis. ER ist Autor zahlreicher Bücher: Der Schlaf des Analytikers (1997), Was macht einen guten Psychoanalytiker aus – Grundelemente professioneller Psychotherapie – (2013, 3. Aufl. 2017) – Von der Angst Psychoanalytiker zu sein (2013) – Buddha und Freud (et. al., 2015) – Vom Irrtum lernen (2017) – Die Suche nach dem stillen Ort (et al., 2017).